Das alternative Heimatbuch

Dann gibt es in Marpingen einen Aufstand - die Ehrung des Widerstandskämpfers Alois Kunz (Seite 813 im Buch)

Es fällt mir nicht ganz leicht, über die Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Ehrung von Alois Kunz im Jahre 1995 abliefen, objektiv zu berichten, denn ich war in diese Ereignisse als handelnde Person eingebunden und habe die Geschehnisse aktiv voran getrieben und beeinflusst.
Dennoch habe ich mich äußerst bemüht, diese Geschichte so wahrheitsgetreu wie möglich zu schildern, was dadurch erleichtert wird, dass alles sozusagen "vor aller Augen" ablief, da die örtliche und regionale Presse ausführlich berichtete.

 Die Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Ehrung sind die eigentliche Geburtsstunde dieses "alternativen Heimatbuches". Denn was in diesem Jahr 1995 in Marpingen ablief, war für mich bis dahin unvorstellbar gewesen. Hatte ich naiverweise angenommen, dass es bei der namentlichen Ehrung eines Sozialdemokraten, der wegen seines Widerstandes gegen das verbrecherische Nazi-Regime im KZ Auschwitz ermordet wurde, in einer SPD-geführten Gemeinde keine Probleme geben würde, so hatte ich mich schlichtweg geirrt. Es gab unglaubliche Probleme, so dass sogar das Saarländische Fernsehen mehrere Beiträge darüber brachte. Aber der Reihe nach.
Die Geschichte begann im Oktober 1994. Ich saß als Fraktionssprecher für "Bündnis 90 / Die Grünen" zusammen mit Thomas Gantner im Marpinger Gemeinderat. Wir hatten mit der Mehrheitsfraktion SPD für die Wahlperiode eine Zusammenarbeit vereinbart, die im Prinzip funktionierte.
50 Jahre nach Kriegsende

An jenem Oktobertag 1994 klingelte das Telefon und ein Herr Alois Kunz aus Marpingen, bat um die Hilfe der "Grünen". Es war der Sohn des Alois Kunz, der in Auschwitz ermordet worden war. Alois Kunz, jun., erzählte mir vom Schicksal seines Vaters, wovon ich bis dahin überhaupt nichts gewusst hatte, und bat die "Grünen" ihm bei seinem Anliegen, seinen Vater in Marpingen nachträglich zu rehabilitieren und zu ehren, behilflich zu sein. Kunz, jun., erzählte uns die Lebens- und Todesgeschichte seines Vater ausführlich und gab uns als Zeitzeuge detaillierte Schilderungen von Marpingen in der Zeit des Nationalsozialismus. Was wir hörten, erschien uns oftmals unglaublich. Aber ebenso unglaublich sollten die Geschehnisse im Laufe dieser Ehrungsbemühungen werden. Wir beschlossen für die Gemeinderatssitzung im Mai 1995, 50 Jahre nach Kriegsende, den Antrag für die namentliche Ehrung von Alois Kunz zu stellen.
Alois Kunz, jun., hatte schon mehrfach versucht, dass sein Vater in Marpingen geehrt würde, bisher aber immer vergeblich. Für die Gemeinderatssitzung vom 21. Januar 1947 hatte er den Antrag gestellt , dass die damalige „Brückenstraße", die heutige „Marienstraße" und in der Nazi-Zeit „Adolf-Hitler-Straße", den Namen „Alois-Kunz-Straße" erhalten sollte. Der Gemeinderat stimmte damals unter Punkt 4 der Umbenennung zu. Allerdings wurde der Beschluss nie ausgeführt. Es gab nie und gibt bis heute keine „Alois-Kunz-Straße" in Marpingen.
1963, im Jahr der Veröffentlichung des Marpinger Ehrenbuches, hatte er beantragt, dass auch sein Vater darin aufgenommen werde. Dies scheiterte daran, dass der damalige Bürgermeister August Schu (SPD) der Aufnahme von Kunz nur zustimmte, wenn auch das NSDAP-Mitglied Viktor Kirsch, der KZ-Aufseher in Dachau war, in das Buch aufgenommen würde. Kunz, jun., zog daraufhin seinen Antrag zurück. (Alois Kunz, jun., war von 15.05.1960 bis Oktober 1964 Mitglied des Gemeinderats Marpingen und zeitweise Beigeordneter der Gemeinde.)
1991 im April schrieb er an den damaligen Bürgermeister Werner Laub und bat wiederum um Aufnahme seines Vaters in das Ehrenbuch. Laub antwortete: "Sehr geehrter Herr Kunz, ich beziehe mich auf verschiedene Anfragen in vorgenannter Angelegenheit, insbesondere von MdL Armin Lang, und teile Ihnen mit, dass Herr Alois Johann Kunz bei einer evtl. Neuauflage des Ehrenbuches der Gefallenen und Vermißten von Marpingen in das Buch aufgenommen wird. Ich bitte um Verständnis ... ".
1991 im Juli versuchte Kunz, jun., es beim damaligen Ministerpräsidenten des Saarlandes, Oskar Lafontaine. Seine Bitte lautete folgendermaßen:
"Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Aus der Saarbrücker Zeitung - Ausgabe 26.7.91 - habe ich von der Ehrung des ehemaligen ADGB-Vorsitzenden Fritz Dobisch, anlässlich seines 50 Todestages im Konzentrationslager Buchenwald erfahren. Dabei habe ich mich erinnert, dass ich als 12-jähriger, in Begleitung meines Vaters, bis nach 1935 mehrmals die ehemalige Sophienstraße in Saarbrücken besuchte, auch das damalige Zimmer von Fritz Dobisch im Gewerkschaftsgebäude. Mindestens einmal, entweder kurz vor oder nach dem 13. Januar 1935 war Fritz Dobisch in unserem Hause in Marpingen, da mein Vater die hiesige Zahlstelle des ADGB, bis zur Auflösung durch die Nazis 1935, leitete. Auch mein Vater wurde von der Gestapo verhaftet und nach dem Konzentrationslager Oranienburg-Sachsenhausen verschleppt und schließlich in Auschwitz ermordet. Die hiesige Gemeindeverwaltung hat vor einigen Jahren einen Antrag der Familie auf Aufnahme in das Ehrenbuch abgelehnt, mit der Begründung, dass auch dann ein hiesiger SA-Führer, der nach Kriegsende 1947 von einem alliierten Militärgericht, wegen seiner Mordtaten, zum Tode verurteilt wurde, ebenfalls eingetragen werden müsste. Ich bin gerne bereit, Ihnen alle erforderlichen Dokumente vorzulegen. Auskünfte können von Herrn Dr. Klaus Michael Mallmann, Saabrücken, ... erteilt werden. Ihnen, Herr Ministerpräsident, wäre ich sehr dankbar, wenn Sie sich der Angelegenheit einmal annehmen würden."
Kunz, jun., hatte eine hohe Meinung von Oskar Lafontaine. Nur nahm der sich der Angelegenheit nicht an. 8 Monate später, am 01.04.1992, ließ Lafontaine durch den Chef der Staatskanzlei, Dr. Kurt Bohr, antworten :
"Sehr geehrter Herr Kunz, anlässlich des bevorstehenden 100. Geburtstag Ihres Vaters Alois Johann Kunz möchte ich auch im Namen von Herrn Ministerpräsident Oskar Lafontain sein Leben und Wirken als engagierter und konsequenter Gegner des NS-Regimes würdigen. Dem Herrn Ministerpräsident ist der Tod Ihres Vaters in dem zum KZ-Lager Auschwitz gehörenden Nebenlager Jawischowitz bekannt. Er schätzt ihn als einen der Saarländer, die mutig gegen Terror und Unrecht gekämpft und dafür auch ihr Leben gelassen haben. Es muss als grob ungerecht und bisweilen auch kränkend empfunden werden, wenn man erfahren muss, dass es auch heute immer noch vorkommt, dass Menschen wie Ihr Vater, die gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime aufgetreten sind, Opfer und Entbehrungen nicht gescheut, Haft erduldet und ihr Leben gelassen haben, nicht die Anerkennung und Würdigung finden, die ihnen ohne Einschränkung gebührt. Allen demokratisch gesonnenen Staatsbürgern muss die Erinnerung an das Opfer der Männer und Frauen, die im Kampf gegen das Hitler-Regime leiden und sterben mussten, eine Verpflichtung sein. Der eigentliche Sinn unserer politischen Bildungsarbeit ist es, das Andenken an diese Menschen wachzuhalten, damit ihr Vorbild den kommenden Generationen Beispiel bleibt. Ich grüße Sie in Respekt vor Leben, Haltung und Tod Ihres Vaters - Dr. Kurt Bohr."

Die SPD-Spitze in Saarbrücken konnte ihre Marpinger Genossen damals wohl nicht dazu bewegen, sich für eine Ehrung von Alois Kunz zu erwärmen.
3 Jahre später, im Januar 1995, veröffentlichte die Saarbrücker Zeitung, Ausgabe St. Wendel, auf der Seite 1 einen großen Artikel über die Bürger des Kreises St. Wendel, die in Auschwitz ermordet wurden. Es waren mindestens 24, 23 jüdische Menschen und eben Alois Kunz. Sein Schicksal war nun einer breiten Öffentlichkeit, auch in Marpingen, bekannt.

In Marpingen gibt es einen Aufstand!
Die Gemeinderatssitzung, in der die "Grünen" ihren Antrag stellen wollten, war für den 18. Mai 1995 terminiert. Im Vorfeld der Sitzung versuchten wir natürlich mit unserem Partner SPD Gespräche zu führen, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Anlässlich eines Besuchs der Fraktionen im Seniorenheim im April sprach ich die damals wichtigste Persönlichkeit in der SPD, den Ortsvorsteher von Marpingen, Herrn Werner Thurnes, in dieser Sache an und teilte ihm unser Vorhaben mit. Überraschend für mich warnte er wörtlich: "Wenn Ihr das tut, gibt es in Marpingen einen Aufstand." Auf keinen Fall werde die SPD eine Ehrung von Alois Kunz mittragen. Was er mit Aufstand meinte, war uns zu dem Zeitpunkt noch überhaupt nicht klar. Auch nachdem der Antrag in der Öffentlichkeit war, wurde ich von Vertretern von SPD und CDU mehrfach gebeten, ihn zurückzuziehen.
Am 04. Mai 1995 reichten wir den Antrag bei der Verwaltung ein. Er lautete:
"Der Gemeinderat möge beschließen, dass der Marpinger Bergmann Alois Kunz, der wegen 'staatsfeindlicher Äußerungen' am 07.09.1939 von der Gestapo verhaftet wurde und im Konzentrationslager Auschwitz am 23.10.1942 ums Leben kam, durch die Gemeinde Marpingen posthum angemessen geehrt wird. Mit ihm geehrt werden sollen ebenfalls die Marpinger Antifaschisten August Brück, Arnold Harz, Michael Hubertus und Viktor Schledorn. Angemessen heißt für uns, dass z.B. ein Platz in Marpingen (Kirmesplatz oder Marktplatz) nach Kunz benannt wird und/oder Straßen (z.B. im neuen Bebauungsgebiet Geierschell) nach ihm und den anderen Widerstandskämpfern benannt werden oder dass ein Mahnmal errichtet wird, das an Kunz und die anderen Antifaschisten erinnert."

Der Antrag wurde ausführlich und mit Beispielen von Ehrungen von Nazi-Opfern aus anderen saarländischen Gemeinden begründet und auch im örtlichen Nachrichtenblatt veröffentlicht. Der Bürgermeister allerdings änderte in seiner öffentlichen Bekanntmachung der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung den Antrag eigenmächtig ab. Er ließ unter TOP 2 b des öffentlichen Teils der Sitzung schreiben: "Antrag der Fraktion Die Grünen: Nachträgliche Ehrung eines Marpinger Bürgers, der im KZ Auschwitz am 23.10.1942 ums Leben kam." Der Name Kunz erschien nicht mehr in der Formulierung des Antrags.
Auch die regionale Presse kündigte die Sache an , wobei die St. Wendeler Stadtrundschau von einem "brisanten Antrag" sprach.

Ausschluss der Öffentlichkeit
Finden Sitzungen des Marpinger Gemeinderats normalerweise ohne Zuschauer statt, weil daran bei den Bürger(innen) kaum Interesse herrscht, so wollten dieser Sitzung überraschend viele Bürger(innen) beiwohnen. Aber sie fanden sich "draußen vor der Tür" wieder, denn Bürgermeister Laub stellte den Antrag, den Tagesordnungspunkt aus dem öffentlichen Teil der Sitzung in den nichtöffentlichen zu verlegen. Die Fraktionen von SPD - mit Ausnahme des GR-Mitgliedes Gaby Weirich - und CDU stimmten zu und so war die Öffentlichkeit ausgesperrt.
Der Bürgermeister begründete seinen Antrag damit, dass Persönlichkeitsrechte betroffen seien, denn eine Frau habe ihn angerufen, die große Schuldgefühle verspüre. Eventuell betroffene Menschen müsse man schützen. Als Fraktionssprecher von Bündnis 90/Die Grünen argumentierte ich, eine solche Ehrung sei von großer öffentlicher Bedeutung und eine Herstellung der Nichtöffentlichkeit sei ein weiteres "Unter-den-Teppich-kehren". Die Fraktionssprecher von SPD und CDU waren der Meinung, sie hätten zu wenig Zeit gehabt, um sich auf den Antrag vorzubereiten und deshalb müsste der Punkt verschoben werden. Den Antragstellern warfen sie vor, der Antrag sei nur "Effekthascherei" und hätte nichts mit Kommunalpolitik zu tun. Auch im nichtöffentlichen Teil der Sitzung wurde der Antrag nicht behandelt, vielmehr beschloss die Mehrheit von SPD und CDU, ihn in alle Ortsräte zu verweisen, um eine "allgemeine Ehrung" eventueller Widerstandkämpfer der Gemeinde vorzubereiten. Eine namentliche Ehrung von Alois Kunz sei abzulehnen.
Die Ortsräte der vier Ortsteile, von denen drei überhaupt nicht von dem Problem betroffen waren, weil Kunz ja ein Marpinger Bürger war, setzten den Antrag der Grünen in ihren nächsten Sitzungen auf die Tagesordnungen. In allen Sitzungen trug ich als Antragsteller die Geschichte von Alois Kunz vor und präsentierte die vorhandenen Quellen.

Die Ortsräte sind geteilter Meinung
Am 31.05 1995 tagte der Ortsrat von Urexweiler und beschloss einstimmig, er habe nichts gegen eine namentliche Ehrung von Alois Kunz einzuwenden und es sollten Nachforschungen über Personen aus Urexweiler, die Nazi-Opfer waren, angestellt werden. (Anm. des Autors: Ist bis heute nicht geschehen.)
Am 27.06.1995 tagte der Ortsrat von Berschweiler und lehnte mit den Stimmen der Mehrheitsfraktion SPD eine namentliche Ehrung von Alois Kunz ab. Es genüge ein Gedenkstein, der sich allgemein gegen den Faschismus ausspreche.
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Am 28.06.1995 tagte der Ortsrat von Marpingen (Zusammensetzung: SPD 5, CDU 5, Grüne 1) und lehnte eine namentliche Ehrung von Kunz mit Mehrheit ab. Die CDU und 3 SPD OR-Mitglieder stimmten dagegen .
Am 05.07.1995 tagte der Ortsrat von Alsweiler. Er erklärte sich nicht für zuständig, das sei Sache der Marpinger, aber er habe grundsätzlich gegen eine namentliche Ehrung von Alois Kunz nichts einzuwenden. Der CDU-Vorsitzende von Alsweiler verkündete jedoch in einem Leserbrief, Fraktionssprecher und Vorsitzende der SPD Alsweiler, sowie die CDU seien gegen eine namentliche Ehrung. Die Saarbrücker Zeitung titelte am 28.07.1995 : "Marpinger Ortsräte sind geteilter Meinung - Zwei für, zwei gegen eine Ehrung von Alois Kunz.

Hick-Hack geht in die nächste Runde
Zwischenzeitlich hatten Bündnis 90/Die Grünen den Beschluss des Gemeinderates, den Antrag in den nichtöffentlichen Teil der Sitzung zu verweisen, bei der Kommunalaufsicht beanstandet, was aber vom Landrat abgewiesen wurde. Dieser teile die Ansicht des Bürgermeisters. Auch die Oberste Kommunalaufsicht, der Minister des Innern, bei der von der grünen Fraktion Beschwerde gegen den Bescheid des Landrats eingelegt wurde, bestätigte diese Auffassung. Die Verweisung in den nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung war nach Ansicht der Aufsichtsbehörden rechtens gewesen. Nach Bekanntwerden der Ablehnung der Beschwerde durch die Kommunalaufsicht titulierte die Saarbrücker Zeitung: "Hickhack um Nazi-Opfer geht in die nächste Runde" und in einem Kommentar: "Den Ratsherren fehlte der Mut des Opfers".
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Das veranlasste wiederum den Bürgermeister gegen die Presse vorzugehen. In seinem wöchentlichen Bürgerbrief im Amtlichen Bekanntmachungsblatt der Gemeinde schrieb er: "Wenig Spaß macht der überwiegenden Anzahl der Gemeinderatsmitglieder ... im Moment, wie in der Presse mit ihnen umgegangen wird. Und ich muss sagen, sie sind zu Recht erzürnt, denn sowohl unter Kommentar als auch unter den Informationsartikeln zum Thema Ehrung des im Konzentrationslager verstorbenen Alois Kunz werden falsche Eindrücke erweckt. ...". In diesem Brief kündigte er auch an, dass in der GR-sitzung vom 20.09.1995 die Frage der Ehrung von Alois Kunz in öffentlicher Sitzung behandelt werde.
Da es in Marpingen zu der Zeit üblich war, die kommunalpolitische Diskussion in den "Marpinger Nachrichten" zu führen, wollte die grüne Fraktion auf den "Bürgerbrief" von Bürgermeister Laub in der darauf folgenden Woche antworten. Aber: Laub ließ die Veröffentlichung nicht zu, indem er die Weiterleitung des Artikels an den Verlag persönlich verhinderte. Diese Zensur unseres Beitrages erlaubte er sich noch zweimal (in der nächsten Woche "vergaß" die Verwaltung den Beitrag beim Verlag einzureichen und in der Woche darauf ging der Beitrag auf dem Weg zum Verlag verloren), so dass unsere Meinungsäußerung vor der Gemeinderatssitzung am 20.09.1995 nicht mehr den Marpinger Bürger(innen) zugänglich gemacht werden konnte. Der zensierte Beitrag für die Marpinger Nachrichten hatte folgenden Wortlaut:
"Nachträgliche Ehrung des Marpinger Bürgers Alois Kunz, der im KZ Auschwitz am 23.10.1942 ermordet wurde. Das, was in der Saarbrücker Zeitung und in der St.Wendeler Stadtrundschau darüber geschrieben wurde, ist vollkommen richtig. Tatsache ist, daß der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, nach unserer Meinung ohne rechtliche Grundlage und demnach willkürlich, in den nichtöffentlichen Teil der Sitzung verbannt wurde. Tatsache ist weiter, daß der Antrag, der die Ehrung des Marpinger Nazi-Opfers Alois Kunz sen. beinhaltete, in die Ortsräte der anderen Ortsteile verwiesen wurde und dort auf den Tagesordnungen (zweimal öffentlich, zweimal nichtöffentlich) in abgewandelter Form erschien. Ganz abgesehen davon, daß diese Angelegenheit nichts in den Ortsräten von Alsweiler, Berschweiler und Urexweiler zu suchen hat, lehnten die Räte in Marpingen selbst und in Berschweiler eine namentliche Ehrung des im Kz Auschwitz ermordeten Kunz ab, in Alsweiler und Urexweiler hätte man nichts gegen eine namentliche Ehrung einzuwenden. Welche "falschen Eindrücke", wie der Bürgermeister in seinem Bürgerbrief von vergangener Woche schreibt, hier "erweckt" worden sein sollen, ist uns schleierhaft. Alles hat haargenau gestimmt. Auch dem Kommentar von Herrn Dagobert Schmidt ist vollkommen zuzustimmen: Die Geschichte ist für Marpingen äußerst peinlich. Und peinlich ist auch, wenn der Bürgermeister verniedlichend schreibt, Kunz sei im "Konzentrationslager verstorben". In Konzentrationslagern, insbesondere in Auschwitz, wurden die Häftlinge gequält und ermordet."

In diesem "Hick Hack" um die namentliche Ehrung wurde nun das Adolf-Bender-Zentrum aus der Kreisstadt St. Wendel sozusagen als Schiedsrichter zu Hilfe gezogen. Basierend auf den Originaldokumenten der Familie Kunz erstellten die damalige Geschäftsführerin des Zentrums, Frau Stern, und der Autor dieses Buches eine Ausstellung über das Leben und Sterben von Alois Kunz, die am 15.09.1995 vom Bürgermeister eröffnet wurde und in der Woche vor der entscheidenden Gemeinderatssitzung im Sitzungssaal des Rathauses für die Öffentlichkeit zugänglich war. Auch darüber berichtete die Presse ausführlich.
Die öffentliche Diskussion hatte mittlerweile landesweite Aufmerksamkeit erregt, so dass der "Aktuelle Bericht" des Saarländischen Rundfunks auf Marpingen aufmerksam geworden war und einen Beitrag abgedreht hatte. Dieser wurde am Vorabend der entscheidenden Gemeinderatssitzung gesendet und darin kamen der Bürgermeister Laub, der Sprecher der CDU und der Autor dieses Heimatbuches zu Wort.

Die CDU verläßt die Sitzung
In der Sitzung des Gemeinderates am 20.09.1995 "bot der Rat ein komplettes Programm parlamentarischer Außergewöhnlichkeiten: Persönliche Erklärung des Bürgermeisters, Geschäftsordnungsdebatten, Sitzungsunterbrechungen, Auszug einer Fraktion, Rederecht für Nicht-Ratsmitglieder." (Saarbrücker Zeitung) Diese Sitzung verlief unter großem Zuschauerinteresse sehr emotional, wobei es im Laufe meiner Begründung des Antrages durch Zwischerufe von SPD und CDU Ratsmitgliedern zu fast tumultartigen Szenen kam. Die CDU Fraktion verließ zeitweilig den Sitzungssaal. Das von mir Gesagte, wodurch die Aufregung hervorgerufen wurde, sei an dieser Stelle wörtlich wiedergegeben:
"Wer gestern abend den Aktuellen Bericht im Saarl. Rundfunk gesehen hat, der weiß, daß Marpingen keine Probleme mit Alois Kunz hat. Der BM hat es uns gesagt. Allerdings hat der BM Laub Probleme mit der Diskussion über das Thema. Und das ist bezeichnend, das zieht sich wie ein roter Faden seit Mai durch die ganze Angelegenheit. Die von uns erzeugte Öffentlichkeit paßt dem BM überhaupt nicht, sie paßt seiner SPD-Fraktion (außer dem Mitglied Gabi Weirich) nicht und schon gar nicht der CDU-Fraktion (mit Ausnahmen in den Ortsräten). Man hat nichts gegen Alois Kunz, aber man hat etwas dagegen, daß die alten Geschichten wieder aufgerührt werden. Denn wer will schon an die doppelte Schande erinnert werden, an die Schande, daß es überhaupt passiert ist und an die Schande, daß eine Rehabilitierung und eine Ehrung bisher verhindert wurden. Wir haben bisher jeden Antrag, den wir in den GR eingebracht haben, der Öffentlichkeit vorgestellt. Den Antrag auf Ehrung von Alois Kunz konnten die Bürger(innen) im Nachrichtenblatt im Wortlaut nachlesen und sich ihre eigene Meinung bilden. Auch die regionale Presse griff den Antrag auf und berichtete im Vorfeld darüber. Das war gut so und war auch so gewollt. Kommunalpolitik ist kein Geschäft, über das in Hinterzimmern gemauschelt werden sollte. Wir informieren die Bürger(innen) über unsere Politik und wollen, daß sie sich darüber ihre Meinung bilden können. Insbesondere natürlich erregte die Verweisung in die Nichtöffentlichkeit am 18.05.1995 das Interesse der Presse und der Bürger(innen). Daß wir dagegen kommunalrechtlich vorgehen war auch klar, und daß die Presse dieses wiederum aufgreift war auch klar. Dann allerdings das zum Anlaß zu nehmen, der Presse einseitige Berichterstattung vorzuwerfen, zeugt von einem seltsamen Verständnis von Pressefreiheit und Informationsauftrag der Presse. In keinem der Presseartikel wurden "falsche Eindrücke" erweckt, wie der BM schreibt, auch in dem Kommentar von Herrn Schmidt nicht. Wobei man es der Zeitung ja wohl zugestehen muß, daß sie in einem Kommentar eine eigene Meinung vertritt. Und wir teilen diese Meinung. Der BM teilt diese Meinung nicht, das ist sein Recht, und er hat das auch im Bürgerbrief vom 25.08.1995 zum Ausdruck gebracht. Es macht ihm wenig Spaß, wie in der Presse mit der überwiegenden Anzahl der GR-mitglieder umgegangen wird. Nur leider hat Herr Dagobert Schmidt recht in seinem Kommentar: Es ist unwürdig und beschämend, es fehlen einem die Worte, was hier in Marpingen im Jahr der 50. Wiederkehr der Befreiung von Auschwitz passiert. Noch etwas ist zu diesem Bürgerbrief zu sagen. Der BM spricht von dem im Konzentrationslager verstorbenen Alois Kunz. Man kann das natürlich so formulieren, aber man muß dann auch wissen, daß das die Sprache der Nazi-Täter war, die ihre Taten mit dieser Wortwahl verniedlichten. (An dieser Stelle verlassen die Mitglieder der CDU-Fraktion und ein SPD GR-Mitglied den Sitzungssaal.) Ich spreche dem Bürgermeister seine Meinung nicht ab, jeder kann sich darüber ein Bild machen. Was ich ihm aber vorwerfe ist, daß er bezüglich dieses Bürgerbriefes unsere Meinung zensiert hat. Wir haben im Nachrichtenblatt auf diesen Bürgerbrief hin einen Artikel zur Veröffentlichung eingereicht, der dann vom Bürgermeister einfach nicht an den Verlag weitergereicht wurde. Unsere Meinung wurde zensiert. Wir haben die Veröffentlichung im nächsten Nachrichtenblatt verlangt und was geschah? Die Chef-Sekretärin hatte vergessen den Artikel beim Verlag einzureichen. Und in der darauffolgenden Woche, nachdem man uns wieder hoch und heilig versprochen hatte, den Beitrag beim Verlag abzugeben, wurde er zwar laut Aussage des 1. Beamten der Gemeinde eingereicht, ist aber beim Verlag nicht angekommen. Zufälle gibt es! In dem Beitrag hieß es u.a. "Die Geschichte ist für Marpingen peinlich. Und peinlich ist auch, wenn der BM verniedlichend schreibt, Kunz sei im KZ verstorben. In KZs, insbesondere in Auschwitz, wurden die Häftlinge gequält und ermordet."
Ich muß noch über einen anderen Bürgerbrief des BM etwas sagen: Am vorigen Freitag konnte man lesen: "...geschürte Emotionen und Eigennutz schaden der Zielsetzung - nicht zu vergessen, sondern nachzudenken und daraus für die Zukunft zu lernen."
Voraussetzung für das Nichtvergessen ist, daß man sich erinnert - auch an die Schande in Marpingen. Und das haben wir mit unserem Antrag bewirkt. Wer Emotionen geschürt hat, das müssen die Beobachter und Zuhörerinnen selbst sehen. Wir haben uns jedenfalls strikt an Tatsachen gehalten. Und wem der BM Eigennutz unterstellt, können wir nicht erkennen. Uns kann er nicht gemeint haben, denn mit unserem Antrag können wir sicher in Marpingen keinen Blumentopf ernten. Und wenn er die Familie Kunz gemeint haben sollte, so wäre das eine Unverschämtheit sondergleichen. Wir sind auf jeden Fall davon überzeugt, daß, wenn es uns nicht gelungen wäre, eine breite Öffentlichkeit für die Sache Kunz zu interessieren, es gar nicht so weit gekommen wäre, daß die SPD hier hoffentlich "die Kurve kriegt" und für eine namentliche Ehrung votiert. ...

Die CDU argumentiert ja, und wir haben es ja gestern abend im Aktuellen Bericht wieder gehört: "Wenn man diese Zeit noch nicht ganz aufgearbeitet hat und wenn man nicht alle Menschen innerhalb der Gemeinde kennt, die von diesem Regime benachteiligt wurden, die Opfer dieses Regimes waren, wäre es besser keinen zu nennen, um letztendlich nicht einen auszuschließen." Dieses suggeriert ja zum einen, daß es viele Widerstandskämpfer in Marpingen gab. Irgendwie waren ja alle durch das Regime benachteiligt worden und irgendwie Opfer geworden. Über 20 Mio. Tote, Deutschland total zerstört und alle die anderen Folgen dieses 1000-jährigen Reiches, das 12 Jahre, im Saarland 10 Jahre, gedauert hat, sprechen ja für sich. Diese Meinung ist aber eine Geschichtsklitterung. Die Wahrheit war anders. Die Wahrheit war, daß die meisten mitgemacht haben, viele sich sogar als PGs am Terror gegen Minderheiten und Andersdenkende aktiv beteiligt haben. Und die allerwenigsten haben sich gegen das Terror-Regime ausgesprochen. Zum anderen beinhaltet diese Meinung ja, daß wir noch warten müssen - 50 Jahre sind noch nicht genug. Die CDU hat wohl noch nicht gemerkt, daß 50 Jahre lang verdrängt wurde und noch das wenigste aufgearbeitet worden ist. Es wird langsam Zeit mit dem Aufarbeiten richtig anzufangen, bevor die letzten Zeitzeugen nicht auch noch weggestorben sind. Und darüberhinaus hatte man es ja in Marpingen für nötig befunden, 17 NSDAP-Mitglieder, darunter der Ortsgruppenleiter, namentlich zu ehren. In tiefer Ehrfurcht gedenkt Marpingen ihrer. Es ist also nicht mehr als gerecht, daß auch Alois Kunz endlich namentlich rehabilitiert und geehrt wird.
Die CDU hat, während wir im Nachrichtenblatt zensiert wurden, auch munter veröffentlicht. Vorige Woche stand dort zu lesen: man lasse sich "weder von zwei grünen Gemeinderatsmitgliedern noch durch einseitige öffentliche Berichterstattung in eine faschistische Ecke drängen". Diesen Vorwurf weise ich für uns zwei grüne Gemeinderatsmitglieder energisch zurück. Und ich denke, ich kann dies auch für die Presse tun. Wenn die CDU meint, sie sei in eine faschistische Ecke gedrängt worden, so hat sie sich selbst dorthinein manövriert.
Unser Antrag ist sicher genügend begründet. 50 Jahre nach der Befreiung durch die Alliierten ist es endlich an der Zeit, den tätigen Widerstandskämpfer, Gewerkschafter und Sozialdemokraten Alois Kunz aus Marpingen gebührend zu ehren. Es ist bekannt, daß in Auschwitz 24 Menschen aus dem Kreis St.Wendel ermordet wurden. 23 von ihnen waren jüdischen Glaubens und der 24. war der Sozialdemokrat Kunz aus Marpingen. Kunz war Widerstandskämpfer und Anti-Faschist und hat für seine Überzeugung sein höchstes Gut, sein Leben lassen müssen. Marpingen sollte stolz sein, daß es einen solchen Menschen in seinen Reihen hatte und sollte nach 50 Jahren endlich sagen: Es gab auch bei uns welche, die nicht mitgemacht haben, die sogar den Mund aufgemacht haben und es gab den Alois Kunz, der für seine Politische Überzeugung im KZ Auschwitz ermordet wurde. Und gerade für die Sozialdemokratie in Marpingen müßte es eine Verpflichtung sein, Alois Kunz, einem nachgewiesenen Sozialdemokraten und Mitglied in der Bergarbeitergewerkschaft nachträglich diese Ehre zu erweisen. Es waren ja schließlich die Sozialdemokraten, die als einzige Partei im Reichstag 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt haben und viele von ihnen sind dafür ins KZ und in den Tod gegangen. Nach 50 Jahren muß das "Unter den Teppich kehren" ein Ende haben. "Nur wer sich erinnert, kann die Gefahren für die Zukunft bannen" (Roman Herzog). Wir müssen uns erinnern, daß die braunen SS- und SA-Horden von damals vergleichbar mit den randalierenden Glatzköpfen von heute sind, die "Neger klatschen" gehen und Synagogen und Wohnungen anstecken, und daß Menschen, damals wie heute, die sich dagegen wehren und einschreiten, unsere Anerkennung verdienen und geehrt werden müssen. Ich formuliere deshalb nochmals unseren Antrag:
Der Gemeinderat möge beschließen, daß der Marpinger Sozialdemokrat, Gewerkschafter und Bergmann Alois Kunz, der wegen "staatsfeindlicher Äußerungen" am 07.09.1939 in Marpingen von der Gestapo verhaftet wurde und im Konzentrationslager Auschwitz am 23.10.1942 ums Leben kam, durch die Gemeinde Marpingen posthum namentlich angemessen geehrt wird. Er soll stellvertretend für die anderen Widerstandskämpfer aus Marpingen geehrt werden. Angemessen heißt für uns, daß z.B. ein Platz in Marpingen (Kirmesplatz oder Marktplatz) nach Kunz benannt wird und/oder eine Straße (z.B. im neuen Bebauungsgebiet Geierschell) nach ihm benannt wird oder ein Mahnmal mit Namen und Daten von Kunz an zentraler Stelle in Marpingen errichtet wird. Das ganze Verfahren der namentlichen Ehrung wird unter Einbeziehung der betroffenen Familie, wenn diese das wünscht, vom Ausschuß für Umwelt und Kultur, vom Ortsrat Marpingen und von der Verwaltung vorbereitet und festgelegt und dann im Gemeinderat abgesegnet."

17 NSDAP Mitglieder wurden geehrt
Zum Abschluss der Beratungen erteilte man auch Herrn Alois Kunz, jun., das Wort, der folgende Stellungnahme abgab:
"Meine sehr verehrten Gemeinderäte, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, die Grünen haben mir die Gelegenheit verschafft, daß ich hier zu diesem Tagesordnungspunkt eine Stellungnahme abgeben kann. Ich bin Betroffener, denn der Alois Kunz, der in Auschwitz ermordet wurde und um dessen namentliche Ehrung es heute geht, ist mein Vater. Ich habe in den 50 Jahren nach Ende des 2. Weltkrieges mehrfach versucht, daß mein Vater rehabilitiert und geehrt wird. Leider bis heute vergeblich. Am schlimmsten für mich war, daß 1963 17 NSDAP-Mitglieder, zum Teil Nazis seit 1933, unter ihnen der Ortsgrupenleiter der NSDAP von Marpingen, ins Ehrenbuch der Gemeinde Marpingen namentlich aufgenommen wurden, und meinem Vater, der als Sozialdemokrat zusammen mit dem führenden Sozialdemokraten des damaligen Saargebietes Max Braun gegen den Anschluß an Hitler-Deutschland gekämpft hat und für seine Überzeugung sein Leben gelassen hat, wurde damals die Aufnahme ins Ehrenbuch verweigert. Wenn die CDU der Meinung ist, daß mein Vater nicht namentlich geehrt werden kann, "um der Gefahr zu entgehen, weitere Betroffene bei einer namentlichen Ehrung zu vergessen", so ist das eine Ausrede. Es gab nur wenig "weitere Betroffene" und mein Vater ist der einzige Sozialdemokrat aus Marpingen und aus dem Kreis St.Wendel, ja vielleicht sogar im gesamten Saarland, der in Auschwitz ermordet wurde. Die 17 NSDAP-Mitglieder hat man namentlich geehrt, meinem Vater will man dies verweigern. ... Ich bitte sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Gemeinderäte, dem Antrag der Grünen auf namentliche Ehrung meines Vaters zuzustimmen. In anderen Gemeinden wurden Straßen nach solchen Widerstandskämpfern benannt. Ich meine, das sollte in Marpingen auch möglich sein."
Der Antrag wurde mit den Stimmen von SPD und Bündnisgrünen gegen das Votum der CDU bei 2 Stimmenthaltungen angenommen und in der nächsten Sitzung sollten genauer Wortlaut des Textes und Standort des Mahnmals festgelegt werden. Die Saarbrücker Zeitung titelte : "Schwere Geburt: Nazi-Opfer wird geehrt" und im Kommentar: "Die SPD sprang, die CDU scheute."
In der Gemeinderatssitzung vom 14.12.1995 sollte dann die "Ehrung Kunz" zu einem einigermaßen versöhnlichen Abschluss kommen.
In Übereinstimmung mit den Wünschen der Familie Kunz hatte der Ortsrat von Marpingen als Standort das Ehrenmal für die Gefallenen am Friedhof in Marpingen bestimmt und folgenden Text vorgeschlagen: "Den Opfern zum Gedenken, uns zur Mahnung, nie wieder Faschismus! Zur Erinnerung an den Marpinger Sozialdemokraten und Gewerkschafter Alois Kunz, geb. am 08. April 1892, der am 23. Oktober 1942 von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde."
Diesen Text konnte die SPD Fraktion im Gemeinderat nicht mit tragen. Sie verlangte folgende Formulierung: "Den Opfern zum Gedenken, uns zur Mahnung, nie wieder Faschismus! Stellvertretend für alle Opfer und Widerstandskämpfer unserer Gemeinde, Alois Kunz, der für seinen Widerstand in Auschwitz ermordet wurde."
Da die CDU sich nach wie vor gegen eine namentliche Ehrung von Kunz aussprach, blieb den beiden Grünen Gemeinderatsmitgliedern nichts anderes übrig - wollten sie bei den bestehenden Mehrheitsverhältnissen die Ehrung nicht gefährden - als diesen Textvorschlag zu akzeptieren.

So endete dann die Geschichte der Ehrung des Auschwitz-Opfers Alois Kunz aus Marpingen, der, wie es in einem Leserbrief in der Saarbrücker Zeitung vom 26.08.1995 hieß, "sein höchstes Gut, sein Leben, im Widerstand gegen den Naziterror eingesetzt und verloren hat." Dem Widerstandskämpfer Alois Kunz aus Marpingen, der sein Leben für seine Überzeugung gegeben hatte, ist zwar spät, aber dennoch eine letzte Ehre erwiesen worden. Er sollte ein Vorbild für uns sein.
Nachzutragen ist noch, dass das Mahnmal im Rahmen der Gedenkfeier für den Volkstrauertag am 17.11.1996 von Bürgermeister Laub eingeweiht wurde. Zum Abschluss spielte die Kapelle das von den Nationalsozialisten so sehr mißbrauchte alte Soldatenlied "Ich hatte einen Kameraden", worauf einige Zuhörer(innen) demonstrativ die Veranstaltung verließen.

Seit dem 27. Januar 1997 wird von dem Verein "Wider das Vergessen und gegen Rassismus", Marpingen, an jedem "Nationalen Gedenktag an die Opfer der Nazi-Verbrechen" vor der Gedenkplatte an Alois Kunz ein Kranz niedergelegt.