Das alternative Heimatbuch

„Ein Dorf und seine Geschichte und damit auch sein Gesicht und sein Charakter werden vor allem von den Menschen geprägt, die in diesem Dorf leben und lebten." Das ist der erste Satz des Grußwortes von Bürgermeisters Werner Laub im Familienbuch Alsweiler. Diesem Satz kann man uneingeschränkt zustimmen.
Auch die Männer und Frauen, die in der Zeit des Nationalsozialismus in unseren Orten aktiv waren, haben dazu beigetragen, „Gesicht und Charakter" der Dörfer zu prägen.

Die NSDAP in Marpingen wurde am 01. Mai 1933 von 16 Marpinger Männern gegründet. Dies geht aus der erhaltenen Mitgliedsliste hervor, die bis zum 01. Oktober 1940, dem Tag des bis dahin letzten Parteieintrittes, geführt wurde. In ihr sind bis zu diesem Eintrittstermin 143 Mitglieder aufgelistet. 17 von ihnen werden heute noch im Marpinger "Ehrenbuch" als "Helden" geehrt.
Erster und langjähriger Parteiführer war der Bäcker und Wirt Reinhold Hahn. Als Ortsgruppenleiter der Marpinger NSDAP wirkte er von der Gründung der Ortsgruppe im Mai 1933 bis zu seinem Tode am 12. Februar 1944. Zugleich war er von September 1935 an auch Ortsbürgermeister von Marpingen. Nach seinem Tode übernahmen nacheinander die Parteigenossen Emil Geßner, Friedrich Lambert und Julius Recktenwald das Amt des Ortsgruppenleiters bis zum Ende des Nationalsozialismus.
Die Partei stellte mit Gründung der sogenannten „3. Deutschen Front", am 01.März 1934, ihre Tätigkeit offiziell ein und wurde im Oktober 1935, nachdem sie nach der Rückgliederung zunächst nur eine „Zelle" war, zu einer selbstständigen Ortsgruppe.

Die Gründungsmitglieder waren:

Name

 

Beruf

Straße

MitgliedsNr.

Hahn

Reinhold

Bäcker, Wirt

Adolf-Hitler-Straße 27

2709538

Hinsberger

Stefan

Elektromonteur

Hermann-Göring-Straße 23

2709645

Hubertus

Adolf

Chauffeur / Kraftwagenführer

Hermann-Göring-Straße 23

2709692

Kannengiesser

Fritz

Händler

Herm.-Löns-Straße 2

2709773

Kirsch

Viktor

Steinbrecher / Wehrmachtsang.

Adolf-Hitler-Strasse 29

2709826

Klaus

Josef

Lehrer

 

 

Leist

Josef

Landwirt / Reichsbahnschaffner

Herm.-Löns-Straße 8

2710009

Meisberger

Fritz

Bergmann

Am Bühl 20

2710128

Mörsdorf

Nikolaus

Annoncenwerber

Herm.-Löns-Straße 30

2710158

Mörsdorf

Richard

Steinbrecher / Bergmann

Langemarckstraße 1

2710159

Neis

Ewald

Elektromonteur

Eulenwaldstraße 8

2710226

Recktenwald

Josef

Bäcker / Reichsbahnarbeiter

Schulstraße 38

2710342

Seifart

Werner

Chauffeur

Hermann-Göring-Straße 26

2710457

Schmidt

Reinhold

Steinbrecher / Wehrm.-Arb.

Schulstraße 13

2710610

Urhahn

Aloys

Bauunternehm

Herm.-Löns-Straße 31

2710858

Urhahn

Arnold

Landwirt

Hindenburgstraße 21

2710859

(Quelle: Marpingen und der Kreis St. Wendel unter dem Hakenkreuz)

Unter diesen Gründungsmitgliedern befanden sich auch drei Männer, die im Nazi-Reich eine zweifelhafte Karriere machen konnten. Einmal der schon erwähnte langjährige Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Reinhold Hahn, der wesentlich daran beteiligt war, dass der Widerstandskämpfer Alois Kunz verhaftet wurde und ins Konzentratonslager kam, dann der SS-Unterscharführer Reinhold Schmidt, der als Freiwilliger der Waffen-SS-Totenkopfstandarden seit März 1941 im Konzentrationslager Auschwitz als KZ-Wächter Dienst tat - während seines Aufenthalts wurde sein Marpinger Mitbürger Alois Kunz dort ermordet - und als Dritter der SS-Oberscharführer Viktor Kirsch, der als Aufseher in Auschwitz und in Dachau dem Verbrecher-Regime diente. Letzterer wurde im Mai 1946 in Landsberg am Lech als Kriegsverbrecher von den Amerikanern hingerichtet. Hahn und Schmidt findet man heute noch im Ehrenbuch der Gemeinde Marpingen, in dem die Gemeinde in "tiefer Ehrfurcht" ihrer gedenkt.

Vier Wochen nach der offiziellen Gründung traten am 01. Juni 1933 weitere 28 Männer der Nazi-Partei bei, unter ihnen auch der Autor des Marpinger Heimatbuches und Ehrenbürger der Gemeinde Marpingen, Wilhelm Bungert. Nach der Besetzung Polens 1939 verließ er sein Heimatdorf und wurde Amtsbürgermeister in Adelshofen im Gau Wartheland im damaligen Generalgouvernement Polen. Und am 01. August 1933 konnte die NSDAP in Marpingen wiederum fünf neue Mitglieder begrüßen, so dass sechs Monate nach der Machtübertragung an Hitler und eineinhalb Jahre vor der Saarabstimmung in Marpingen eine NSDAP-Ortsgrupe von 49 Mitgliedern bestand.
Die Gründungsmitglieder und die übrigen Mitglieder mit Eintrittsdatum 1933, also die sogenannten "33er PGs", gehörten überwiegend der Arbeiterschaft und der unteren Mittelschicht an. Unter ihnen befand sich keine Frau. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die relativ kleine Berufgruppe der Lehrer mit vier Personen verhältnismäßig stark vertreten war. Die am häufigsten vertretenen Berufe der „33er Pgs" waren: 6 Bäcker, 4 Elektromonteure, 4 Bergleute, 4 Steinbrucharbeiter, 3 Chauffeure, 4 Lehrer, 2 Landwirte, 2 Maurer. Daneben gehörten zu dieser Gruppe noch ein Kassenrendant (Kassenverwalter) und ein Sparkassenangestellter sowie ein Bauunternehmer. Weiter auffallend ist, dass in dieser ersten Phase 1933 in dem Bergarbeiterdorf Marpingen nur 4 Bergleute NSDAP-Mitglied wurden.
Alle „33er Pgs" erhielten Mitgliedsnummern im 2er Millionenbereich, wobei die am 01. Juni und am 01. August 1933 Eingetretenen überraschenderweise kleinere Mitgliedsnummern - im 2,6er Millionenbereich - als die am 01. Mai 1933 Eingetretenen - im 2,7er Millionenbereich - erhielten. (Im Reich bezeugte eine kleinere Mitgliedsnummer auf dem Parteiausweis den früheren Eintritt in die Partei.)
Am 26. Februar 1934 wurde dann die NSDAP im Saargebiet aufgelöst und in die „Deutsche Front" überführt. Am 20. März 1935 wurde sie neu gegründet, so dass der nächste Aufnahmeschub erst nach der Neugründung festzustellen war. In dieser Aufnahmephase sollten diejenigen zuerst ihre Mitgliedsausweise erhalten, die sich in der „Deutschen Front" bewährt hatten und wegen der Auflösung der Partei vor der Rückgliederung nicht mehr aufgenommen werden konnten. Für sie wurde der 01. November 1935 als Eintrittstag festgelegt. In Marpingen waren dies 32 Personen. Diese Gruppe erhielt Mitgliedsnummern im 6,9er Millionenbereich.  Unter ihnen war die erste Frau, nämlich die Kreisfrauenwartin Kätchen Krasky. In dieser Aufnahmephase wurden auch 16 Grubenarbeiter aufgenommen. Weitere Berufe waren u.a. 1 Transportunternehmer, 1 Polizei-Leutnant, 2 Kraftwagenführer und 2 Steinbrucharbeiter.
Bevor die Aufnahmesperre ab November 1937 nochmals verschärft wurde, war in Marpingen ein weiterer Aufnahmeschub festzustellen. Am 01. Juni 1936 wurden 21 neuen Mitgliedern ihre Mitgliedskarten übergeben und am 01. Mai 1937 einem weiteren. Die Mehrzahl von ihnen stellten mit 10 Personen die Bergleute, 1 Arzt und 1 Lehrerin waren ebenfalls unter ihnen. Weiterhin traten 1 Betriebsleiter, 1 Gastwirt, 1 Friseur und 1 Elektromeister ein. Auch war bei dieser Eintrittsgruppe die zweite Frau bei den Marpinger Nazis zu vermelden, die Lehrerin Margarete Welter. Als Mitgliedsnummern wurden auch dieser Gruppe Nummern im 6,9er Millionenbereich vergeben.
Ab November 1937 bis zum Jahresende 1939, also mehr als zwei Jahre lang, verhängte die Parteiführung die zweite strenge Aufnahmesperre, die sich auch in der Marpinger Mitgliedsliste nachweisen lässt. Die nächste Aufnahmephase für Marpingen war das Jahr 1940. Im Lauf dieses Jahres wurden insgesamt noch einmal 42 Marpinger Parteigenossen der NSDAP. Als Nummern erhielten sie bis auf sieben Ausnahmen, deren Nummern im 8er Millionenbereich lagen, Zahlen im 7er Millionenbereich. In diesem Jahr trat auch die Mehrzahl der Frauen ein, nämlich 5 von insgesamt 6 weiblichen Mitgliedern, wovon bei zweien als Beruf Ehefrau angegeben war, zwei Lehrerin waren und eine als Beruf Filialleiterin angegeben hatte. Der häufigsten Beruf der Neu-Eintritte des Jahres 1940 war der des Bergmanns mit 18. Daneben traten noch 2 Unternehmer und 3 Angestellte ein, unter ihnen auch der spätere SPD Bürgermeister und langjährige Fraktionsvorsitzende der SPD im Marpinger Gemeinderat nach dem Kriege, August Schu. Das Nazi-Reich war zu diesem Zeitpunkt auf der Höhe seiner Macht, der Blitzkrieg gegen Polen war im Spätsommer 1939 gewonnen worden, am 09. April 1940 hatte man Dänemark und Norwegen überfallen, am 10. Mai Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande und am 14 Juni 1940 war Paris erobert worden und Frankreich hatte am 22. Juni den Waffenstillstandsvertrag unterzeichnen müssen. In Deutschland hatte in der Bevölkerung eine Stimmung der Überlegenheit Einzug gehalten. Das wird wohl auch eine Rolle bei diesem Eintrittsschub gespielt haben.
Ab Oktober 1940 wurde die Marpinger Mitgliedsliste der NSDAP nicht mehr weitergeführt, so dass für die letzten viereinhalb Jahre der Nazi-Herrschaft über die Marpinger NSDAP Mitglieder keine Aussagen gemacht werden können.

Insgesamt erkennt man an der Marpinger Liste, dass die Mitgliederentwicklung der Nazi-Partei in Marpingen in drei Schüben erfolgte: Vor dem 28. Februar 1934, nach dem 20. März 1935 bis Mitte 1937 und ab dem Jahre 1940 wieder. Einmal die sogenannten „33 PGs", 48 an der Zahl, dann 53 Eintritte in den Jahren 1935, 1936 und 1937 bis zur Aufnahmesperre und dann wiederum 42 Eintritte im Jahre 1940.
Mit 47 Mitgliedern war der Bergmann der am häufigsten vertretene Beruf in der Marpinger NSDAP. Es folgten mit 9 Mitgliedern die Beschäftigten im Steinbruch, mit je 6 die Bäcker, Angestellten und Lehrer, mit 5 die Elektromonteure inclusive -meister und mit 4 Mitgliedern die Maurer. Weiter gab es 3 Chauffeure, 3 Reichsbahnarbeiter, 2 Händler und je 2 Bauunternehmer und Autotransportunternehmer. Insgesamt 6 Frauen waren Mitglied in der NSDAP Marpingen.

Da die NSDAP sich als Weltanschauungspartei und als „Speerspitze" der „Bewegung" verstand und dieses Image auch bewahren wollte, war sie bestrebt, nicht alle Interessenten für den Eintritt aufzunehmen. Dadurch bildeten sich lange Wartelisten, mit den sogenannten „Anwärtern". Diese wollten in die Partei aufgenommen werden, mussten sich aber in den Anwärterlisten gedulden, bis die jeweilige Führungsspitze in den Ortsgruppen sie würdig genug zur Aufnahme empfand. Man schätzt, dass etwa sieben mal mehr Eintrittswillige vorhanden waren als in die Partei aufgenommen wurden. In Marpingen wird es nicht anders gewesen sein.

NSDAP in Alsweiler

Über die NSDAP Alsweiler liegen nur wenige verwertbare Informationen vor. Die Ortsgruppe Alsweiler setzte sich aus den Zellen Alsweiler, Winterbach und Harschberg zusammen. Neben der Nazi-Partei gab es in dem Marpinger Ortsteil auch die üblichen anderen nationalsozialistischen Organisationen.

NSDAP in Urexweiler

Auch über die NSDAP Urexweiler liegen im Vergleich zu Marpingen ebenfalls nur spärliche Informationen vor. Sie wurde gegründet am 01. Juni 1933 und ihr erster Ortsgruppenleiter war der Hausierer Nikolaus Reis, der von 1935 bis 1945 beim Sicherheitsdienst tätig war. Die weiteren Ortsgruppenleiter waren dann von 1935 bis Juli 1937 der kaufmännische Angestellte Hans Fuchs, von 1937 bis 1941 der Dipl. Landwirt Johann Mailänder und von 1941 bis 1945 der Bergmann Josef Klein. Ortsbürgermeister war von 1935 bis 1945 der Parteigenossev Jakob Gard. Führer der Hitler-Jugend in Urexweiler war der spätere saarländische Landtagsvizepräsident und nach dem Kriege langjährige Bürgermeister Rudolf Recktenwald. Auch er war Mitglied der NSDAP und wurde am 01. September 1939 aufgenommen. Weitere 1945 von der Besatzungsmacht gesuchte NSDAP-Mitglieder waren der Bergmann Josef Mehle, der Landwirt Johann Nikolaus Brehm, der pensionierte Bergmann Johann Brehm, alle drei beim Sicherheitsdienst, der kaufmännische Angestellte Josef Rohner, Angestellter bei der Gestapo und der kaufmännische Angestellte Erich Recktenwald, während des Krieges beschäftigt bei der Zivilverwaltung in Polen.

NSDAP in Berschweiler

Für Berschweiler gilt das Gleiche, es liegen nur wenige verwertbare Informationen über die NSDAP vor. Von Merchweiler im Kreis Ottweiler aus wurde 1927 in diesem Ortsteil ein Stützpunkte gebildet. Dabei scheint hier - später wurde Berschweiler mit Dirmingen zu einer Ortsgruppe vereinigt - eine besonders rührige Gruppe von Nationalsozialisten gewesen zu sein, denn der damalige Gauleiter, Adolf Ehrecke, sprach im Rahmen von sogenannten Sprechabenden im Sommer 1929 allein zweimal in diesem Marpinger Ortsteil. Am 25. August zum Thema „Die Schuld der SPD am Zusammenbruch Deutschlands" und am 15. September zum Thema „ Nie wieder Krieg". Ortsgruppenleiter und Ortsbürgermeister in Berschweiler war der Parteigenosse Otto Ulrich. Er hatte die Ämter von 1935 bis 1945 inne.